Vorwort
- Es gab keine Kataloge von Hugo Rickert Rahmen
- Dies ist eine Sammlung aus Foren, „Hören/Sagen“, Zeitungsartikel und persönliche Erfahrung
- Es gab keine Kontinuität bei Rickert, mal so, mal so und dann wieder so
- Ihr werdet viel „häufig“, „öfters“ oder nur waage Zeitangaben lesen. Rickert hat viele Praktiken parallel geführt, optimiert, verworfen und zwischendurch neu erfunden.
- Es gilt: Wer viel Geld hatte, bekam was er wollte, wer weniger Geld hatte musste mehr in die Pedale treten
- Es gibt keine Rahmennummern, Ausnahmen bestätigen die Regel und haben dem Anschein nach auch kein Muster (manchmal nur Geburtsdatum des Käufers o.ä.)
- Ich gebe keine Garantie auf Vollständigkeit oder umfassendes Wissen. Ich lerne noch selbst hinzu! Dies ist hauptsächlich eine Gedankenstütze für mich selbst.
Wie erkenne ich, ob es ein Hugo Rickert Rahmen ist?
Der Lack:
Wenn der Lack original von Hugo Rickert ist, dann ist er meist rot, blau, selten dunkel grau, schwarz, komplett polierter und verchromt oder in „Regenbogenfarben“. Auffällig sind die „Doris-Streifen“ auf den Sattelstrebendeckeln und Umrandung (Lining) der Muffen.
Hinweis: Rickert hat seine alten und auch fremde Rahmen im Auftrag des Kunden neu lackiert und dann natürlich mit aktuelle Aufkleber versehen.
Die Lackarbeiten haben Hugo und Doris Rickert meist selbst in seiner Werkstatt in Dortmund durchgeführt. Später wurden Lackierungen auch in Bielefeld durchgeführt1)Auszug aus einer E-Mail von Ted Ernst an Hartmut Snoek
Die Rohre:
I.d.R. hat Rickert Reynolds 531 Rohre verlötet, seltener 501 oder 753. In den ersten Jahren gab es auch Durifort-Rohre. Es gibt aber auch Belege für Columbusrohre2)Tour Magazin Okt./Nov. 1980, S.37ff, Präzise wie ein Gebiss. Angeblich soll er auch mal Tange probiert haben, gesehen habe ich dies jedoch persönlich noch nicht.
Die Muffen:
Meist wurden Cinelli Tretlagermuffen verwendet die unten ein großes Loch hatten welches mit einem Gummistopfen verschlossen wurde. Der Stopfen ist aber bei 99% der Rahmen mit den Jahren flöten gegangen oder wurde nach einer Wartung nicht mehr eingesetzt. Sonstige Muffen waren mit unter Nervex (Professional) und Bocama. In den letzten Jahren seines Schaffens wurden in Taiwan angefertigte Muffen verwendet. Für den Gabelkopf sind über einen großen Zeitraum der 1960er bis in die 1970er Rostagno-Thomas verlötet worden.
Als Ausfallenden waren häufig welche von Campagnolo eingesetzt worden. Malaguti Ausfaller, u.a. im Hübner+Koch Katalog von 1958/59 wurde Ende der 1950er Jahre verwendet. In seinen ersten Jahren, man könnte auch Anfangsjahre schreiben, wurden welche aus „Blech“ eingesetzt. Über einen großen Zeitraum fanden auch Portacatena Ausfallende den Weg in den Rahmen. In einigen Fällen gab es auch Huret Ausfallenden.
In den 1970 wurden Sattelrohrmuffen verwendet mit den üblichen Sattelklembolzen. Ab den 1980er Jahre gabe es sehr markante Sattelrohrmuffen mit integrierten Gewinde für die Klemmung mit einer einfachen Innensechskantschraube.
Später (mit Zulieferung aus Taiwan3)Westfalenpost, 13.07.2007 – Radsport-Legenden mit Goldrahmen) hat sich die Form der Sattelklemmmuffe wieder markant geändert. Die Streben zur Sattelrohrmuffe sind sind nun in die Klemmung der Sattelstütze integriert und liegen nicht mehr an dieser Muffe an. Demzufolge gibt es auch keine doppelten „Doris-Streifen“ mehr auf den Strebendeckelchen. Es gibt nur noch eine weiße Linierung um die einzelnen Muffen/Rohre herum.
Etwas, was auch selten verlötet wurde, waren 3Rensho-Muffen4)Beispiel: Flickr – Ulrich Vogel – San Rensho Muffen.
Verarbeitung / Besonderheiten:
In den 1960er hatten Rickerts häufig eine Umlenkrolle aus Metall (1963-68) auf dem Tretlager gelötet, eine genietete Steuerrohrplakette aus Blech mit RIC-Plakette in UCI Farben (Nietabstand ca. 46 mm) oder eine Weltkugel mit UCI Farben (Nietabstand ca. 59 mm).
Nicht zeitlich zu definieren sind die unter den Kettenstreben rautenförmige verlöteten Plättchen (zur Verstärkung?). Zwischen den Kettenstreben war öfter auch eine zusätzliche Strebe verlötet.
Pantos:
Es gab Pantos auf dem Gabelkopf (siehe oben), dem Bremssteg und einzeln auch auf den Plättchen der Sattelstreben durch ein eingestanztes „R“. Dies trifft vereinzelt auf die 1970er bis 1990er Jahre zu. Es gibt jedoch auch Rickert’s, die haben überhaupt keine Pantos (ob dies vom Kunden vielleicht nicht bestellt wurde?).
Achtung: Rickerts nach 2002 sind vermutlich nicht (vollständig) von ihm selbst gelötet worden! Häufig fehlen auch die „Doris Linien“ rund um die Muffen und über die Kettenstrebenspiegel. Hugo Rickert war nach einem Schlaganfall am 25.02.2002 halbseitig gelähmt und die Lötarbeiten gingen nur noch mit fremder Hilfe, u.a. seiner Frau, weiter. Nach seinem dritten Schlaganfall ging garnichts mehr5)Heimatdesign Magazin Nr. 7, S20 und Restaufträge wurden von z.B. Dieter Neuhaus abgearbeitet.
Wie erkenne ich, von wann der Rickert Rahmen ist?
Hier gilt: Kleinigkeiten hat Hugo Rickert wahrscheinlich nur in bestimmten Zeitperioden durchführt. Event. wurden „Innovationen“ entwickelt, verworfen und später wieder neu aufgegriffen. Vieles wurde auch schon oben im Artikel beschrieben.
Decals / Aufkleber:
- Nur Ende der 1970er gab es gelbe „Rickert Spezial“ Aufkleber
- Decals mit Einzelbuchstaben bis Ende 1970er, Foliendecals (kompletter Schriftzug) ab ca. 1981
- Am Anfang seines Schaffens hießen Rickert Räder noch „RIC-Super“ bzw. „RIC Super Corsa“
- Der Schriftzug hat sich im laufe der Jahrzehnte natürlich auch verändert (hier muss ich noch Bilder besorgen…)
- 1950/60
- ab 1970 bis zum Schluss
Es kamen im laufe der Jahre noch diverse andere Aufkleber auf den Rahmen, die eine Datierung eingrenzen können:
- Bis ca. 1969: „Silbermedalie Rom 1960 / Weltmeister 1962“ seitlich auf dem Oberrohr
- „Goldmedaillen-München 1972“ seitlich auf dem Oberrohr (Rahmen ab 1972 bis Mitte 1970er)
- „Weltmeister-Ringe-Aufkleber“ ab ca. 1972/73
- 1990er Jahre: „… über 40 Jahre“
- Gegen Ende 1990/Anfang 2000: „… über 50 Jahre“
Aber wie oben schon beschrieben: Rickert hat auch seine alten Rahmen oder Rahmen fremder Hersteller im Kundenauftrag neu lackiert und dann mit seinen aktuellen Aufklebern versehen!
Steuerkopf/-rohr:
- In seinen Anfängen nur ein „HRD“
- Beginn der 1960 ein rundes Logo (Weltkugel)
- „RIC“ Plakette bis ca. 1969
- Später dann längliches Logo mit „Rickert“ von oben nach unten, genietete Plakette
- Ab 1970er nur noch das große „R“ mit „Rickert“ und „Dortmund“ in diversen Ausführungen
- Wasserschieber Aufkleber
- Aufkleber mit Transferfolie die nur das „R“ mit „spezial“ und „Dortmund“ aufgetragen haben
- viereckige Aufkleber mit transparenter Folie
Pantos:
- Das „R“ auf Gabelkopf, Bremssteg und/oder dem Deckel der Sattelstreben ab den 1980er. Es ist aber keine Pflicht!
Muffen/Ausfallenden:
- Anfang 2000er: „Taiwan-Muffen„
- 1960er bis in die 1970er: Rostagno-Thomas
- Ende 1950er: Malaguti Ausfallende
Sonstige Verarbeitung:
- Die Strebenenden am Sattelrohr sind ab Mitte der 1960er flach angelegt, davor verliefen sie spitz zur oberen Sattelrohrmuffe zusammen
- Ein Weltmeister-Aufkleber auf dem Oberrohr von ca. 1962 – 65 hatte noch zusätzlich die Unterschriften von Dieter Gieseler und Karl Marsell, in späteren Jahren nicht mehr
- Im Cinelli Tretlager war i.d.R. unten ein großes Loch das mit einem Gummistopfen verschlossen wurde
- Umlenkrolle für das Schaltwerk auf dem Tretlager gelötet: 1963-68
- Wie schon oben beschrieben, sind die Sattelstreben ab Mitte/Ende der 1980er in die Sattelstützenklemmung integriert (Muffen aus Taiwan)
Wo war seine Werkstatt?
Nach dem zweiten Weltkrieg ging er in Lehre bei Paul Brose (Dortmud) und blieb dort bis ca. 1950. Anschließend machte er sich in der Innenstadt von Dortmund selbstständig. Die Adressen waren u.a. „Weißenburger Str. 55“ und später dann an der „Dammstr. 28, 44145 Dortmund-Eving“.
Hat Rickert ins Ausland exportiert?
Ja, z.B. in die USA zu Ted Ernst und seinem Bruder6)Westfalenpost, 13.07.2007 – Radsport-Legenden mit Goldrahmen. Die beiden importierten regelmäßig komplette Räder (Hugo Rickert: „(…) ein Rahmen kam nicht durch den Zoll.“) und besuchte Hugo Rickert in den 1980er mehreremale in Dortmund.
Hat Rickert für andere Marken Rahmen hergestellt?
Ja. Bekannte und vermutete Marken sind u.a.:
- Le Taureau, zu erkennen an den Pumpenhalterspitzen
- Cinelli (angeblich)
- RuFa
- Dornbusch, Duisburg (1950er/60er)
- Liga
Wie teuer war damals ein Rennrad von Rickert?
Zum Schluss hat ein einfaches Rennrad ca. 1.400,-€ gekostet. Mit aufwändiger Oberflächebehandlung (wenig bis komplett verchromt) und hochwertige Komponenten konnte es auch schon mal das vierfache sein.
1980 konnte man ein Rennrad mit Campagnolo Record ab 1.300,- DM bei ihm kaufen. Das teuerste Rad mit Campagnolo Super Record lag bei ca. 2.300,- DM7)Tour Magazin Okt./Nov. 1980, S.37ff, Präzise wie ein Gebiss.
Gab es Teamräder von Rickert?
Ja. Im erste Jahr des RoKaDo-Team fuhren die Fahrer Rickert. Auch vorher fuhren schon einzelen Fahrer des ehem. niederländischen (ab 1969/70 ein deutsches Team)8)http://www.radsportseiten.net/ploegfiche.php?id=4564 Teams Batavus-Continental-Alcina z.T. als Batavus umgelabelte Rickert-Rahmen. Hinzu kommen noch diverse einzelnen Fahrer die dann das Rickert in den Teamfahrben umlackiert haben bzw. in den Hauptausrüster umgelabelt.
Die niederländische und für gewisse Zeit auch die deutsche Nationalmannschaft waren Stammkunde bei Hugo Rickert. Vom BDR musste jedoch die letzte Rechnung vor den olymischen Spielen 1976 per Zahlungsbefehl eingetrieben werden.9)Westfälische Rundschau, 1976 – Nach Silber Dank aus Montreal an Rickert10)Tour Magazin Okt./Nov. 1980, S.37ff, Präzise wie ein Gebiss Dies führe wohl zu einem zerwürfnis zwischen Hugo Rickert und BDR.
Gab es nennenswerte Erfolge auf Rickert Rahmen?
- 1960 Dieter Gieseler wird Deutscher Meister im 1000-Meter Zeitfahren11)Tour Magazin Okt./Nov. 1980, S.37ff, Präzise wie ein Gebiss
- 1960 Dieter Gieseler wird zweiter bei Olympia in Rom, 1:08,75 Minuten persönliche Bestzeit beim 1000 m Zeitfahren
- 1961 Karl-Heinz Marsell wird Steher-Weltmeister
- 1961 Rudi Altig wird Weltmeister über die 5.000m Verfolgung
- 1962 ??? wird Weltmeister im deutschen Bahnvierer über 4.000m Mannschaftsverfolgung
- 1964 Karl Link wird Olympiasieger im Vierer 4.000m Verfolgung12)Tour Magazin Okt./Nov. 1980, S.37ff, Präzise wie ein Gebiss
- 1970 Udo Hempel wird Weltmeister in der Mannschaftsverfolgung
- 1972 Udo Hempel wird Olympiasieger in der Mannschaftsverfolgung
- 1971, ’72, ’73 Horst Gnas Weltmeister der Steher13)Tour Magazin Okt./Nov. 1980, S.37ff, Präzise wie ein Gebiss
- 1976 Herman Ponsteen (Holland) wird zweiter bei Olympia (Montreal)
Hinzu kommen noch diverse deutsche und nierderländische Meisterschaften auf der Straße und der Bahn. Auf min. fünf Olympischen Spielen holten Rickert-Rahmen Gold, Silber oder Bronze; jedoch nicht immer für deutsche Radrennfahrer!14)Westfälische Rundschau, 1976 – Nach Silber Dank aus Montreal an Rickert
Die ganz großen Erfolge hat Hugo Rickert für einen gewissen Zeitraum auf dem Oberohr aufgeklebt (s.o.).
Sonstiges:
Campagnolo Hi-Low Nabe:
Nach diversen Beschreibungen, hat Hugo Rickert die Nabe wohl erfunden und Campagnolo dazu gedrängt diese herzustellen15)Tour-Forum – http://bit.ly/2k4uzF416)Classic Rendevous, Kai Hilbetz – http://bit.ly/2Kzw9u9
Chuck was correct, the ’72 German Olympic team did use them. Hugo Rickert, Dortmund, Germany, Rickert Bicycles, a KoF kinda guy, was importing Campagnolo gruppos and components directly. At the time Campy didn’t need such monstrous quantity orders and a „small“ builder could swing direct orders.
Hugo came up with the idea ’71 – ish and asked Campy to build them for him. Campy wanted him to get 500pr. but relented and agreed to 300pr. first run. At the time I was the only shop Rickert did business with outside of Germany and we received the first Campy HI-Lo’s in the country with our Rickert bicycles sometime in ’71 to ’72. The hubs proved quite popular, being used by the German Team and were then made and sold extensively.
They had a good following in the U.S. and were sold by several distributors. Subsequently, Phil and several others followed suit and made them for
several years.
Hope this helps the Campy Timeline and any CR member that was curious about the origen of the HI-LO hubs.
Ted Ernst17)Vorstelleung Ted Ernst, Easy Rider News – Cycling advocate Ted Ernst continues active role
Palos Verdes Estates, CA
Ich habe lange überlegt, ob ich diesen Blogartikel veröffentlich soll. Viele Informationen sind die nur „Hören-Sagen“ nicht vollständig mit Quellen belegt. Bitte korrigiert mich in den Kommentaren oder wenn euch noch was einfällt oder hier was falsch beschrieben wurde!
Eine umfangreiche Sammlung an Wissen findet sich auch im Rennrad-News-Thread zu Hugo Rickert. Leider ist der Thread mitlerweile sehr unübersichtlich und die Hinweise sind auf den über 435 Seiten verteilt. 🙁
ToDo:
- Ich müsste hier noch was zu den Pumpenspitzen und -haltern schreiben.
- Bilder hochladen (Bildspenden sind willkommen!)
- verschiedenen Steuerkopfschilder
- Schriftart der ersten Rickerts
- diverse Rickerts ablichten
- Durifort Rohre
- Tange Rohre
References / Quellenangabe
↵1 | Auszug aus einer E-Mail von Ted Ernst an Hartmut Snoek |
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↵2, ↵7, ↵10, ↵11, ↵12, ↵13 | Tour Magazin Okt./Nov. 1980, S.37ff, Präzise wie ein Gebiss |
↵3, ↵6 | Westfalenpost, 13.07.2007 – Radsport-Legenden mit Goldrahmen |
↵4 | Beispiel: Flickr – Ulrich Vogel – San Rensho Muffen |
↵5 | Heimatdesign Magazin Nr. 7, S20 |
↵8 | http://www.radsportseiten.net/ploegfiche.php?id=4564 |
↵9, ↵14 | Westfälische Rundschau, 1976 – Nach Silber Dank aus Montreal an Rickert |
↵15 | Tour-Forum – http://bit.ly/2k4uzF4 |
↵16 | Classic Rendevous, Kai Hilbetz – http://bit.ly/2Kzw9u9 |
↵17 | Vorstelleung Ted Ernst, Easy Rider News – Cycling advocate Ted Ernst continues active role |
Hallo Daniel,
hezlichen Dank für Deinen Artikel über Hugo Rickert. Ich habe meinen ersten Rahmen 1956 von H. Rickert machen lassen, das war noch in der Weißenburger Strasse, das Rad habe ich inzwischen verkauft, es hat lange ungenutzt am Haken gehangen. Jetzt kommt mein Hinweis: nach meiner Kenntnis hatte mein damaliger Rahmen Agrati-Muffen, sie waren weniger fein zieseliert als Nervex. Mein jetziges Rad ist von 1993, voll verchromt ,Record C, dann traumhaft hellrot lackiert, eine Freude.
Ich grüße Dich
Gerd
Hi, guter Artikel. Ich habe noch ein Rickert das wohl 1954 gekauft wurde, zumindest noch mit einem Gegenhalter für die Luftpumpe. Wie kann ich denn ein Bild zusteuern ?
Grüße aus Dortmund
Hi Mark-André, einfach per Mail an post@klassik-rennrad.de 😉